Orthopädie

Ein Grossteil unserer Tätigkeiten dient der Behandlung von Verletzungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats mit dem Ziel einer Erhaltung oder bestmöglichen Wiederherstellung der Funktion.  Dabei kommen sowohl konservative Behandlungen einschliesslich der Physiotherapie als auch arthroskopische Eingriffe und eine Vielzahl an Operationen zum Einsatz.

Allen Eingriffen geht eine sorgfältige Voruntersuchung voraus, um zu prüfen, ob mit nicht- oder wenig invasiven Behandlungsmöglichkeiten noch Erfolgsaussichten bestehen. Dabei kommen unter Umständen auch mehrere bildgebende Verfahren, wie das Röntgen, die Computertomographie und die Arthroskopie zum Einsatz.   

Zu den häufigsten orthopädisch – traumatologischen Operationen, die wir routinemässig durchführen, zählen:

  • Osteosynthesen (operative Stabilisierung von Knochenbrüchen)
  • Einrenken und Stabilisieren von luxierten Gelenken (z.B. bei Hüft- oder Sprunggelenksverletzungen und traumatischen Bänderrissen des Kniegelenks)
  • TPLO und TTA zur Behandlung des vorderen (meist degenerative) Kreuzbandrisses, erforderlichenfalls mit Meniskusoperation
  • Korrektureingriffe zur Behandlung der angeborenen Patellarluxation, von Wachstumsstörungen und fehlverheilten Knochenbrüchen
  • Arthrodese (operative Versteifung) bei Gelenken, die nicht mehr erhaltungswürdig sind und eine Versteifung funktionell gut kompensieren können (z.B. Tarsal- und Karpalgelenke sowie Schultergelenk)
  • Resektionsarthroplastik (Neuformung von Gelenkoberflächen durch Entfernen von erkranktem Gewebe), wenn ein Gelenk irreparabel geschädigt ist, sich für eine Versteifung nicht eignet und ein Gelenkersatz nicht in Betracht kommt.
  • Endoprothetik (Gelenksersatz) als Optimaltherapie in der Mehrzahl von irreparablen Schäden des Hüftgelenks.

Mit der Gelenkspiegelung (Arthroskopie) wird durch ein Endoskop das Innere eines Gelenkes beurteilt. Dieses minimalinvasive Verfahren – auch Schlüssellochtechnik genannt – hat gegenüber den herkömmlichen operativen Gelenksinspektionen den Vorteil einer geringeren Schmerzhaftigkeit und ermöglicht Diagnosen, die mit anderen Verfahren nicht gestellt werden können. Da zur Spiegelung nur zwei kleine Einschnitte benötigt werden, ist das Infektionsrisiko gering und der Heilungsprozess kurz.

Die Arthroskopie erleichtert so die Erkennung von:

  • Verschleißerscheinungen des Gelenkes (Arthrose) im Frühstadium,
  • losen Gelenkanteilen (z.B. Knorpelschuppen),
  • Anrissen von Bändern und Sehnen (z. B. Kreuzband, Bizepssehne) und
  • Meniskusschäden,

die mit der klinisch-orthopädischen Untersuchung nicht diagnostizierbar und röntgenologisch nicht darstellbar sind. 

Abbildung: Knorpelschuppen im Schultergelenk eines 11 Monate alten  Hundes (linkes Bild) und Darstellung seiner intakten Bizepssehne (rechtes Bild).

Über eine dritte kleine Öffnung, dem so genannten Arbeitskanal, können darüber hinaus arthroskopische Eingriffe erfolgen. Beispielweise können mit Spezialinstrumenten Gewebeproben für eine weiterführenden Diagnostik aus dem Gelenkinnenraum entnommen und abgebrochene Knorpel-/Knochenstücke sowie defekte Meniskusteile entfernt werden. Am häufigsten führen wir arthroskopische Eingriffe zur Behandlung des frakturierten Processus coronoideus (FCP) bei der Ellbogendysplasie des Hundes durch.

Abbildung: Frakturierter Kronenfortsatz (FCP) im CT (linkes Bild, schwarzer Pfeil) und bei der Gelenkspiegelung (rechtes Bild) bei einem 5 Jahre alten Labrador

Abbildung: Arthroskopische Fragmententfernung mit Fräse bei diesem Patienten

Unser Team kann sich auf eigene Erfahrungen und Nachuntersuchungen von ca. 2000 implantierten Hüftgelenksprothesen mit einem hohen Anteil an Langzeitkontrollen stützen.

Wir raten zu einem künstlichen Gelenk, wenn ein Patient Beschwerden zeigt, die mit anderen Massnahmen nicht adäquat zu lindern sind. Das Alter des Tieres spielt hierbei eine untergeordnete Rolle, da schon bei 6 Monate alten Jungtieren Prothesen eingesetzt werden können, die lebenslang funktionstüchtig sind.

Hauptgrund für die Implantation einer Hüftgelenksprothese sind Schmerzen infolge

  • Hüftdysplasie (HD),
  • chronischer oder wiederkehrender Hüftluxation
  • Arthrose nach Frakturen der Hüftregion und
  • Durchblutungsstörungen des Hüftkopfes (z.B. Morbus Legg-Calvé-Perthes).

Zu den seltenen Anlässen gehören

  • bleibende Schmerzen nach Entfernen des Oberschenkelkopfes und -halses (Resektionsarthroplastik), wenn die nach diesem Eingriff entstehenden Knochenverformungen das Einsetzen einer Prothese noch ermöglichen.
 

Es gibt bewährte Hüftprothesen sowohl für Katzen als auch für Hunde aller Grössen, die als zementfreie und zementierte Implantate zur Wahl stehen. Die Entscheidung für ein zementiertes oder zementfreies Modell richtet sich vor allem nach der Knochenqualität, -grösse und -form, da mit beiden Verankerungssystemen ein sehr gutes Langzeitergebnis erzielt werden kann.

  • Zementfreie Prothesen verlangen eine kräftige Knochensubstanz und sollten in den ersten 4 bis 6 Wochen nicht voll belastet werden bis die Implantate durch neu gebildetes Knochengewebe fest eingewachsen sind.
  • Zementierte Prothesen eignen sich auch für geschwächte Knochen. Sie finden durch ihre Fixierung mit Knochenzement in fast jeder Knochenform und -grösse Halt und dürfen sofort belastet werden.
  • Hybridprothesen bestehen aus einer zementierten und einer zementfreien Komponente. Bei Universalsystemen sind die Implantate beider Verankerungsmöglichkeiten in Grösse und Form aufeinander abgestimmt, sodass Kombinationen möglich sind. Dadurch kann eine individualisierte Implantatselektion erfolgen. Beispielsweise werden bei älteren Hunden mit geschwächter Knochenstruktur zementierte Schaftkomponenten gegenüber zementfreien favorisiert, während zementfreie Pfannenprothesen auch in höherem Alter oft noch von Vorteil sind.

Zu den spezifischen Komplikationen künstlicher Hüftgelenke zählen die späte Implantatlockerung (häufiger bei zementierten Prothesen) und die frühzeitige Prothesenluxation (bei beiden Verankerungssystemen) sowie Knochenbrüche im Bereich der Prothese (häufiger bei zementfreien Modellen), wovon die meisten mit einem Zweiteingriff zu einem guten Endergebnis geführt werden können. In den Händen eines auf diesem Spezialgebiet erfahrenen Chirurgen liegt die Erfolgsquote der Hüftendoprothetik  bei 95%.

 

Informationen zum Ablauf der Operation und zur Nachsorge

Unsere Klinik verfügt über alle Grössen zementfreier wie zementierter Modelle des BioMedtrix Systems und kann deshalb auf Voruntersuchungen in Narkose zur Grössenbestimmung der Implantate verzichten. Im Regelfall werden Patienten für eine Hüftprothese am Morgen der Operation stationär aufgenommen und am darauffolgenden Tag nach Hause entlassen. Sofern nicht schon mit der Überweisung ein umfassendes Labor vorgelegt worden ist werden aktuell wichtige Blutparameter bestimmt, um verborgene Entzündungen oder Erkrankungen, die einen Aufschub der Operation erzwingen würden, auszuschliessen.

Die Narkoseeinleitung erfolgt im Beisein des Tierbesitzers. Sodann werden mehrere Röntgenaufnahmen zum Vermessen der Prothesengrösse angefertigt und der Patient wird danach im Vorbereitungsraum geschoren, gewaschen und ein erstes Mal desinfiziert. Diese Prozedur nimmt circa 1 Stunde in Anspruch. Weitere 30 Minuten vergehen mit der Lagerung des Patienten im OP und der Vorbereitung des Operationsfelds sowie der Vorbereitung des OP-Teams, das aus 4 Tierärzt*innen und 2 tierärztlichen Fachangestellten besteht; ferner dem Aufbau des Instrumentariums sowie der sterilen Abdeckung des Patienten und seines Umfelds.

Die Operation selbst dauert zwischen 90 und 120 Minuten, sodass bis zur postoperativen Röntgendokumentation und dem Beginn der Aufwachphase mindestens 3 Stunden vergehen. Während des Eingriffs sind Herz, Kreislauf und Atmung des Patienten durch Monitoring (EKG, Pulsoxymetrie, Capnographie) kontinuierlich überwacht. Das Tier wird auch noch danach auf einer Wärmematte gelagert, um es vor Unterkühlung zu schützten. Untergebracht in einer mit Rotlicht ausgestatteten, gut gepolsterten Box wird er bis zum völligen Erwachen sowie in den ersten postoperativen Stunden infundiert und über die Dauertropfinfusion mit schmerzstillenden Medikamenten versorgt.

Am Tag der Entlassung wird die operierte Gliedmasse meistens schon belastet. Die Schmerzen sind in aller Regel gering. Bei einer zementfrei implantierten Prothese sollte der Patient dennoch in den ersten 4 bis 6 Wochen an der vollen Belastung des operierten Beins gehindert werden, indem er beim Ausführen mit einer Bauchschlinge unterstützt wird und auch im häuslichen Umfeld trittunsichere Böden gemieden werden. Bei zementierten Hüftprothesen kann auf eine Bauchschlinge in der Regel verzichtet werden. Der Patient darf jedoch auch hiermit in den ersten 6 Wochen keinen freien Auslauf erhalten, sondern bis zur ersten Röntgenkontrolle (nach 6 Wochen) nur an der Leine ausgeführt werden. Anhand der Röntgenaufnahmen kann dann über ein Trainingsprogramm zum Muskelaufbau entschieden werden. Dieses beginnt mit sich langsam steigernden Spaziergängen und kann im Einzelfall auch durch Übungen auf einem Unterwasserlaufband unterstützt werden. Nach 3 Monaten sind die meisten Patienten beschwerdefrei und können sogar als Diensthunde wieder voll eingesetzt werden. Wenn beide Hüftgelenke erkrankt sind entscheidet sich der Zeitpunkt für die Implantation einer Prothese in das andere Hüftgelenk ganz nach den Beschwerden. In sehr schmerzhaften Situationen kann das zweite Gelenk schon nach 4 bis 6 Wochen operiert werden.

Abbildung: Zementierte Prothese (BioMedtrix Micro) bei einem Pudel (5kg KG) vor und 3 Jahre nach OP

Abbildung: Zementfreie Prothese (BioMedtrix BFX) bei einem Rottweiler (49kg KG) vor und 4,5 Jahre nach OP

Zementfreie Prothese (BioMedtrix BFX) bei einem Rottweiler (49kg KG) vor und 4,5 Jahre nach OP

Die operative Knochenbruchbehandlung spielt beim Tier eine dominierende Rolle, da viele Frakturen mit einem Verband nicht ausreichend ruhiggestellt werden können und die bei der konservativen Therapie oft aufwändige Nachsorge (z.B. Verbandswechsel in kurzen Zeitabständen) für Tier und Besitzer mit Stress verbunden ist. Bei Gelenkbrüchen erfordert schon das passgenaue Einrichten der Fragmente und die hier notwendige bewegungsstabile Fixation meist eine Operation. Im Gelenk und gelenknahen Bereich dienen vor allem Schrauben und/oder Drähte der Stabilisierung.

Abbildung: 6 Monate alte Katze mit beidseitiger Hüftkopflösung in der Wachstumsfuge vor und 5 Wochen nach der Osteosynthese

Brüche der langen Röhrenknochen werden überwiegend intern mit verschraubten Knochenplatten oder Nägeln fixiert.  An der Knochenröhre spielt die Passgenauigkeit der Bruchstücke eine untergeordnete Rolle. Dafür sind jedoch die Anforderungen an eine belastungsstabile Fixierung höher als am Gelenk.

Abbildung: 2 Jahre alte Katze mit Splitterbruch des rechten Unterschenkels vor und nach der Osteosynthese mit einer intern schienenden Platte (LCP), die mit 9 Schrauben am Knochen befestigt wurde.

Ein weiteres Verfahren, das vor allem bei offenen, d.h. über Hautwunden infizierten Knochenbrüchen zur Anwendung kommt, ist die äussere Schienung mit einem Fixateur externe. Bei dieser Technik werden durch die Haut in den Knochen eingedrillte Querelemente (Bohrdrähte oder Gewindenägel) aussen mit Klemmbacken an Verbindungsstangen fixiert, sodass ein stabiles Konstrukt mit wenig Fremdmaterial im Körper entsteht. Der Fixateur externe eignet sich auch für eine vorübergehende operative Ruhigstellung von Gelenken, wie sie zum Beispiel bei Verletzungen mehrerer Gelenkbänder notwendig sein kann, sowie für Korrektureingriffe, die eine langsame Knochenverlängerung (Kallusdistraktion) erfordern.

Abbildung: 4 Monate alter Deutscher Schäferhund mit Verbiegung und Verkürzung des linken Unterarms nach Verletzung der Wachstumsfugen im unteren Bereich der Speiche vor und 10 Tage nach Durchtrennen der Unterarmknochen zur Korrektur der Knochenachse und Verlängerung des Unterarms mit einem Fixateur interne.

 

Abbildung: Derselbe Patient 3,5 Wochen nach Beginn der Knochenverlängerung.

 

Versorgung traumatisch luxierter Gelenke

Verletzungsbedingte Ausrenkungen eines Gelenks gehen immer mit einer Zerreissung von Gelenkbändern und der Gelenkkapsel einher. Wenn möglich erfolgt das Wiedereinrenken ohne Operation (gedeckt). Nicht selten muss zur Erhaltung der normalen Gelenkstellung aber eine Rekonstruktion der gerissenen Strukturen und/oder eine eine operative Ruhigstellung des Gelenks erfolgen bis durch Vernarbung eine ausreichende Stabilisierung eingetreten ist.

Abbildung: Ausrenkung des rechten Hüftgelenks in Verbindung mit einem knöchernen Ausriss der Kruppenmuskeln am Oberschenkel bei einer 11 Monate alten Katze vor (linkes Bild) und nach der Operation (rechtes Bild) mit Rekonstruktion der Gelenkkapsel durch Naht und Reinsertion der Muskulatur durch Osteosynthese mit Drahtzuggurtung.

Abbildung: Operative Ruhigstellung eines verletzten Sprunggelenks bei der Katze nach dem Einrenken

Am Kniegelenk können Zerreissungen beider Kreuzbänder zu einer vollständigen Luxation führen. Wenn nur das hintere Kreuzband verletzt ist, muss in der Regel nicht operiert werden, da Hunde und Katzen isolierte Risse des hinteren Kreuzbandes muskulär kompensieren können. Sind jedoch beide Kreuzbänder gerissen, ist das betroffene Kniegelenk sehr instabil. In diesen Fällen ersetzen wir das vordere Kreuzband mit einer Bandprothese aus Kunststofffäden. Auch bei Seitenbandverletzungen des Kniegelenks ist der Bandersatz eine bewährte Methode. Zusätzlich muss das Knie über 4 bis 6 Wochen mit einem Verband oder operativ mit einem Fixateur externe ruhiggestellt werden, bis es sich durch Vernarbung der Gelenkkapsel stabilisiert hat.  Dabei entsteht immer eine Arthrose, die besonders ausgeprägt ist, wenn zusätzliche Meniskusverletzungen vorliegen. Vor allem bei Meniskusverlust ist eine starke Arthrose unvermeidbar.

 

Ruptur beider Kreuzbänder bei einer 10 Jahre alten Katze mit Kniegelenksluxation

Abbildung: Situation vor und 2 Jahre nach synthetischem Ersatz des vorderen Kreuzbandes mit Kunststofffäden (s. Schema)

Abbildung: Riss des inneren Seitenbandes bei einer 4 Jahre alten Katze vor und 10 Monate nach Badersatz mit Draht um Schrauben. Der Draht bricht nach wenigen Wochen, erhält jedoch in der Regel die Seitenstabilität, bis das gerissene Band verheilt ist.

Weitere Infos zur operativen Versorgung des Kreuzbandrisses beim Hund siehe TPLO/TTA
 
Korrektureingriffe zur Behandlung der angeborenen Patellarluxation, sowie bei fehlverheilten Frakturen und Wachstumsstörungen

Die angeborene Kniescheibenverlagerung beruht auf einer fehlerhaften Ausrichtung des Quadrizeps (Streckmuskel des Kniegelenks), in dessen Ansatzsehne die sog. Patella eingelagert ist. Die Luxation entwickelt sich im ersten Lebensjahr und kann in Form einer Verlagerung der Kniescheibe zur Innenseite («mediale Luxatio patellae», häufiger vorkommend) oder zur Aussenseite des Kniegelenks («laterale Luxatio patellae») führen. Je stärker die fehlerhafte Zugrichtung des Muskels ist desto früher verlagert sich die Kniescheibe im Wachstum eines Welpen und um so mehr können sich sekundär Verbiegungen und Verdrehungen am Skelett der Hintergliedmasse daraus ergeben. Die Erscheinungsformen der angeborenen Patellarluxation sind deshalb sehr unterschiedlich (4 Schweregrade) und erfordern eine individuelle Behandlungsstrategie, in der meist verschiedene Korrekturen am Knochen und den Weichteilen kombiniert werden müssen. Erschwerend ist, dass die Ursache (fehlerhafte Zugrichtung des Quadrizeps) nicht hinreichend korrigiert werden kann, sondern mit allen Eingriffen nur eine Anpassung an die veränderten biomechanischen Kräfte möglich ist. Dadurch bleibt immer ein Rezidivrisiko und Folgeerscheinungen für das Kniegelenk in Form von Arthrose und sekundärem Kreuzbandriss können nicht sicher verhindert werden. Dennoch haben sich die Korrekturoperationen in vielen Fällen zur Verringerung der negativen Folgen bewährt. Vor allem in den höheren Schweregraden der Kniescheibenverlagerung können frühzeitige operative Korrekturen schwere Behinderungen bis hin zur Streckunfähigkeit der Hinterbeine verhindern.

Zu den häufigsten Korrektureingriffen am Knochen gehören die Versetzung der Ansatzstelle des Quadrizeps am Schienbein (Transposition der Tuberositas tibiae) und Achsenkorrekturen am Oberschenkel (Femurosteotomien), die das Oberschenkelbein bei der medialen Patellarluxation von einer O-Beinigkeit befreien oder bei der lateralen Patellarluxation zu einer O-Beinigkeit bringen, um dadurch Knochenachse und Zugrichtung des Streckmuskels auf Linie zu bringen.

Abbildung: Mediale Luxatio patellae bei einem einjährigen Zwergpudel vor (links), unmittelbar (Mitte) und 3 Jahre (rechts) nach Transposition der Tuberositas tibiae nach lateral (keine Arthrose entstanden)

Abbildung: Laterale Patellarluxation beiderseits bei einem 4 Monate alten russischen Terrier (links 4. Grades, rechts 3. Grades) vor der Operation sowie 4 Monate nach Femurosteotomie und Vertiefung der Kniescheibenfurche am Oberschenkel links sowie 2,5 Monate nach Femurosteotomie rechts.

TPLO (Tibial Plateau Leveling Osteotomy) und TTA (Tibial Tuberosity Advancement) zur Behandlung des vorderen (meist degenerativen) Kreuzbandrisses, erforderlichenfalls mit Meniskusoperation.

Die Mehrzahl der Kreuzbandrisse betrifft allein das vordere Kreuzband und entsteht überwiegend als Folge einer degenerativen Vorschädigung des Bandes («Kreuzbandkrankheit»). Für dieses bei Hunden sehr häufige Problem werden seit Jahren bevorzugt Umstellungsosteotomien angewendet. Sie ermöglichen eine muskuläre Kompensation der durch den Bandverschleiss allmählich entstehenden Instabilität des Kniegelenks, wodurch das Risiko einer sekundären Verletzung des Innenmeniskus gesenkt und die Arthrose in ihrer Entwicklung gebremst wird. Wir haben mit beiden Verfahren umfassende Erfahrungen, favorisieren für die meisten Patienten aber die TPLO, da sie mehr Stabilisierungsmöglichkeiten bietet und erforderlichenfalls zusätzliche Korrekturen der Knochenachse (zum Beispiel bei Hunden mit vorderem Kreuzbandriss und Kniescheibenverlagerung) erleichtert.

Während bei der TPLO der Schienbeinkopf nach vorne gekippt wird, verlagert man mit der TTA die Ansatzstelle des Quadrizeps (Streckmuskel des Kniegelenks) nach vorne. Beide Verfahren wirken den destabilisierenden Kräften auf das Kniegelenk biomechanisch entgegen, ohne dass damit der Funktionsverlust eines gesunden vorderen Kreuzbandes vollwertig kompensiert werden könnte. Dennoch haben sich die Umstellungsosteotomien des Kniegelenks für den isolierten Riss des vorderen Kreuzbandes besser bewährt als konventionelle Operationsverfahren, wie Gelenkkapselraffung, Fadenzügel, Kreuzband-plastiken u.a.m. Diese Verfahren können in manchen Fällen aber zusätzlich zur TPLO oder TTA hilfreich sein, wenn nach der Umstellungsosteotomie eine Drehinstabilität im Kniegelenk verblieben ist. Hiervon betroffen sind nicht selten Patienten mit einer angeborenen Kniescheibenverlagerung (Patellarluxation), die in mittlerem Alter einen sekundären Riss des vorderen Kreuzbandes erleiden.

Abbildung: TPLO bei einem Pointer mit akutem vorderen Kreuzbandriss im linken Knie, rechtes Knie 5 Jahre zuvor mit TPLO versorgt.

Abbildung: TTA bei einem 5 Jahre alten Magyar Viszla unmittelbar nach der Operation  und 3 Jahre später

Abbildung: OP Planung für TPLO mit Achsenkorrektur bei einem Zwergspitz mit Patellarluxation und sekundärem vorderen Kreuzbandriss

Abbildung: Bei diesen Patienten wird neben der Kippung des Schienbeinkopfes u.a. auch der Schienbeinschaft gedreht.

 
Meniskusoperationen

Meniskusoperationen können arthroskopisch oder arthrotomisch (unter operativer Öffnung des Gelenks) erfolgen. Wir führen sie nur bei einem nachgewiesenen Meniskusriss und wenn immer möglich nur in Form einer Teilentfernung durch. Da Menisken für die Funktion des Kniegelenks von wesentlicher Bedeutung sind, nehmen wir von vorbeugenden Meniskusschnitten («meniscal release» in Verbindung mit TPLO und TTA) Abstand. Wir akzeptieren die nicht auszuschliessende Gefahr einer nachträglichen Verletzung und Einklemmung des Innenmeniskus als häufigste Ursache für eine wiederkehrende Lahmheit nach Kreuzbandchirurgie zugunsten einer Reduzierung des Arthrose Risikos. Unsere Strategie beruht auf wissenschaftlichen Untersuchungen, die eine verstärkte Arthrose nach «meniscal release» gezeigt haben. Da diesen Studien zufolge eine sekundäre Meniskusläsion auch mit dem Meniskusschnitt nicht sicher verhindert werden kann und hierdurch das Kniegelenk zusätzlich destabilisiert wird, halten wir es für gerechtfertigt, eine Zweitoperation zu empfehlen, sollte sich später noch die Notwendigkeit einer Meniskusrevision zeigen. Die Häufigkeit für eine erforderliche Nachrevision nach TPLO ohne prophylaktischen Meniskusschnitt liegt in unserer Statistik bei 2 %.

Mit einem Achsenfehler verheilte Knochenbrüche des Ober- und/oder Unterschenkels können ebenfalls eine Kniescheibenverlagerung verursachen und Anlass für eine sogenannte Korrekturosteotomie sein. Auch in anderen Gliedmassenregionen können fehlverheilte Frakturen einen Korrektureingriff erfordern, um negative Auswirkungen auf die Gelenke und damit einen bleibenden Funktionsverlust zu verhindern.

Am gefährlichsten sind Wachstumsstörungen am Unterarm des Hundes. Neben Verbiegungen und Verdrehungen entstehen hier nicht selten Längenunterschiede zwischen Elle und Speiche, die sich vor allem auf das Ellbogengelenk gravierend auswirken. Das folgende Beispiel zeigt eine Verwachsung der Elle mit der Speiche nach einem Bruch beider Unterarmknochen mit sekundärer Verbiegung, Verdrehung und Verkürzung der Elle im oberen Bereich. Dadurch ist eine schmerzhafte Inkongruenz im Ellbogengelenk entstanden.

Abbildung: Wachstumsstörung am Unterarm mit nachfolgender Stufenbildung im Ellbogen bei einer 9 Monate alte Hündin; Situation unmittelbar vor und nach dem Korrektureingriff, bei dem aus dem unteren Bereich der Elle ein Knochenstück entnommen und weiter oben eingesetzt wurde, um die Stufe im Ellbogengelenk zu beseitigen.

Abbildung: Wachstumsstörung am Unterarm eines 1,5 Jahre alten Labradors mit sekundärer Fehlstellung im Karpalgelenk und Vorderfuss vor und 4 Monate nach Korrektur.

 
Arthrodese

Die operative Versteifung ist an der Schulter sowie den Karpal- und Tarsalgelenken eine sinnvolle, d.h. von Schmerzen bzw. chronischen Instabilitäten befreiende Massnahme, da diese Gelenke den Verlust der Beweglichkeit funktionell gut kompensieren können. Sie kommt nur bei irreparablen Schäden, wie zum Beispiel nicht heilenden Bandverletzungen oder bei Missbildungen in Betracht.  Um eine solide, knöcherne Versteifung eines Gelenks zu erreichen, muss der Knorpel von den Gelenkflächen entfernt, Knochengewebe aus einer anderen Region transplantiert und eine belastungsstabile Osteosynthese durchgeführt werden. Die Heilung dauert länger als bei einem Knochenbruch (ca. 6 Monate), das Ergebnis rechtfertigt jedoch in vielen Fällen die Geduld.

Abbildung: 6 Wochen alter Dackelwelpe mit instabilen Karpalgelenken durch Unterentwicklung der Speiche («Radiusagenesie»). Dadurch keine Belastbarkeit des rechten Vorderbeins.

Abbildung: Versteifung der Karpalgelenke durch Verbindung der Elle mit dem 3. Mittelfussknochen im Alter des Hundes von 6 Monaten; Situation nach der Operation und 15 Monater später, nach dem Entfernen der Implantate

Abbildung: Der zufriedene Patient 2 Jahre nach der Operation

 

Entfernung von Implantaten

Knochenimplantate müssen nicht generell entfernt werden. Wenn sie aber direkt unter der Haut liegen können sie Wetterfühligkeit auslösen. Bei diesem Dackel war eine Hautverletzung 15 Monate nach der Versteifung Anlass zu explantieren. Röhrenknochen erreichen erst nach dem Entfernen von Implantaten, die sie entlasten, eine normale Festigkeit. Dieser Remodellierungsprozess dauert ca. 6 Wochen, in denen der Patient noch geschont werden sollte. Wir raten generell zum Entfernen des Fremdmaterials, wenn die Vorteile der Explantation den Nachteil einer nochmaligen Operation überwiegen.

Chronisch schmerzhafte Hüft-, Schulter- und Zehengelenke können durch Entfernen des erkrankten Gewebes neu geformt und über Vernarbung des Bindegewebes in einen gelenkähnlichen Zustand versetzt werden. Damit lässt sich in vielen Fällen eine Schmerzlinderung erreichen, aber keine normale Beweglichkeit. Am häufigsten wurde und wird das Verfahren in Form einer Resektion des Femurkopfes und -halses angewendet, da das Hüftgelenk am meisten von schmerzhaften Erkrankungen betroffen ist. Seit sich die Endoprothetik (s.u.) auch in der Tiermedizin als das erfolgreichere Verfahren etabliert hat tritt die Entfernung des Oberschenkelkopfes und -hals jedoch zunehmend in den Hintergrund, wenn ökonomische Zwänge oder eine Infektion der Implantation einer Hüftprothese nicht im Wege stehen. Auch bei kleinen Hunden und Katzen konnten computerisierte Ganganalysen zeigen, dass die Resektionsarthroplastik eine bleibende Beeinträchtigung der Gliedmassenfunktion hinterlässt. In ausgewählten Fällen hat das Verfahren allerdings weiterhin seine Berechtigung, beispielsweise bei Verformungen und Vernarbungen am Hüftgelenk, die den Erfolg einer Prothese infrage stellen.

Abbildung: 4 Jahre alter Hund mit tastbarem Knochenreiben im linken Hüftgelenk nach einer nicht geheilten Oberschenkelkopflösung während des Wachstums; Situation unmittelbar vor und nach dem Entfernen des Femurkopfes. Der Femurhals war bereits weitgehend zerrieben.

Damit diese Operation Schmerzen lindert dürfen keine Knochenecken und -kanten zurückbleiben, die weiterhin aneinander reiben können. Nur so kann sich zwischen der Hüftpfanne und dem Oberschenkelbein eine Bindegewebsbrücke bilden, die wie ein Polster wirkt. Die Patienten sollten schon 2 bis 3 Wochen nach der Operation Bewegungstherapie erhalten, um einer zu straffen Vernarbung mit starker Bewegungseinschränkung entgegenzuwirken.